Verlag: Dead Soft Verlag
ISBN / ASIN: 978-3960891147
Softcover: 212 Seiten
Release: Juni 2017
Genre: Contemporary
Teil einer Reihe: –
© Coverrechte: Dead Soft Verlag
Rezension
Zart wie ein Windhauch und doch die Kraft eines Orkans
Für geplante 7 Monate tauscht Ingar seine koppenhagener Wohnung gegen zwei Zimmer im Haus von Maria Carrisi, in der Abgeschiedenheit der toskanischen Berge. Er lässt alles hinter sich, Job, Freunde und Familie um in Italien den Traum vom ersten Buch zu verwirklichen, gleichzeitig will er etwas über seine Wurzeln erfahren. Als Halbitaliener hat er zwar viele Geschichten von seinem Vater erzählt bekommen, Bekanntschaft mit dessen Herkunftsland durfte er aber bis jetzt nie machen. Ingar ist fasziniert von dieser komplett anderen Welt, sei es die Landschaft oder die italienische Art zu Leben. Recht schnell merkt er aber, dass es in der Familie Carrisi einiges gibt, über das lieber geschwiegen wird, vor allem wenn es Zino betrifft. Seine Neugier treibt ihn an, mehr über den verschlossenen und wortkargen Ziegenhirten zu erfahren, allem voran die Antwort auf die Frage „Was veranlasst einen jungen Mann, solch ein einfaches Leben zu führen?“
Dieses Buch hatte ich schon länger auf meiner Liste, warum ich bis jetzt damit gewartet habe – ich weiß es nicht. Es geht mir aber oft so, dass ich vor Geschichten, über die ich nur positives gelesen habe, einen gewissen Respekt habe und sie schiebe, vllt. aus Angst meine Erwartungen nicht erfüllt zu bekommen. Diese Geschichte hat meine Erwartungen aber übertroffen! Jobst Mahrenholz vermittelt in diesen relativ überschaubaren 200 Seiten mehr als so mancher Roman, der die dreifach Länge besitzt. Seine Art zu schreiben könnte man durchaus als pur bezeichnen, ruhig, keine ausschweifenden Beschreibungen und Erläuterungen, sondern auf das wesentliche reduziert und genau so kam die Geschichte um Ingar, Zino und Maria auch bei mir an – ungefiltert, pur, mit einem ganz eigenen Zauber und Charme.
Die Charaktere haben alle ihre Eigenheiten, was sie für mich sehr greifbar machte. Da wäre zum einen Maria, die ihr ganzes Leben schon kämpft, für sich, für ihre Familie und gegen die Folgen die so manche Entscheidung mit sich bringt. Sie besitzt auch die Stärke, wenn nötig über ihren eigenen Schatten zu springen, was Ingar in letzter Konsequenz bis dato nie vermocht hat. Der steht zwar mitten im Leben, bleibt aber dennoch emotional immer hinter seiner fein aufgebauten Mauer verschanzt um ja nichts und niemanden nahe genug an sich heranzulassen – es könnte ihn ja aus der Bahn werfen und genau das macht Zino. Mit seiner klaren, oft ganz anderen Sichtweise und dem unergründlichen Wesen bringt er bei Ingar eine Seite zum klingen, die irgendwo tief hinter dieser Mauer versteckt ist. So entsteht das Buch im Buch, begleitet von Gesprächen über die Protagonisten, doch die Grenzen verschwimmen zusehends und es fließt ein großer Teil der Realität in die Fiktion von Ingars Erzählung ein. Als aber dann zum Schluss aus Fiktion Realität wird muss dieser entscheiden ob es nicht an der Zeit ist seine Deckung fallen zu lassen und etwas komplett Neues zu beginnen. Das Ende ist zwar etwas offen, für mich drängt sich aber unweigerlich ein Bild von zwei Selbstgedrehten im Schatten einer Olive und umringt von Ziegen auf. Pur, ohne Schnick-Schnack und wunderschön – ein All-Time Favorite!