Die „Skyscrape Exklusiv Reportage“ hat allem Anschein nach die Sendeleistung hochgefahren. Waren letzte Woche nur kurze Fragmente des Programms hierzulande einzufangen, so konnte man gestern bei Bibilotta einen kompletten Beitrag von „SER – News“ verfolgen.
Ich finde es wahnsinnig spannend, die Veränderungen von Gesellschaft und Stadt, welche seit meinem letzten Besuch mit „Cyberempathy“ stattgefunden haben, zu bestaunen. Der Fortschritt wird mit geballter Kraft von Hochwissenschaft, Industrie und Politik vorangetrieben – auch Skyscrape glänzt dadurch im Licht des Wandels.
Absolut passend finde ich dazu den heutigen Beitrag der „Skyscrape Exklusiv Reportage“, den man in den frühen Morgenstunden live verfolgen konnte. Für alle Langschläfer unter euch habe ich ihn extra aufgezeichnet – so als Service des Hauses.
Gooooood morning Skyscrape!
Raus aus den Federn! Die Sonnenreflektoren strahlen wie das Gestirn, die Klimaregulierung hat sich auf lauschige 25° C eingependelt und auf den Straßen steppt der Bär. Mischt euch unters Volk und lasst euch mit einer Welle der Harmonie durch die Stadt treiben. In diesen Zeiten gibt es immer wieder Neues zu entdecken, und selbstverständlich habe ich dafür den absoluten Insider-Tipp für euch.
Eine Führung durch Skyscrape.
Natürlich klingen mir jetzt schon die ersten Stimmen im Ohr, die sagen „Kenn ich doch schon alles“. Ich verspreche euch, diese Tour ist einzigartig, denn ihr werdet weder von einer künstlichen Intelligenz durch die Ebenen gescheucht noch latscht ihr einer Holo-Projektion hinterher. Haltet euch fest! Derjenige, der euch unsere wunderbare Stadt zeigen wird, ist menschlich – ohne Scheiß!
Letzte Woche, als ich von einer Recherchereise zurückkam, sah ich da diesen Typen mit einem geschlossenen Regenschirm, den er mit ausgestrecktem Arm in die Höhe hielt, mitten in der Hauptbahnhofshalle stehen. Leute, eine Bild, das man eigentlich nur noch auf altertümlichen Fotodateien findet, die vor dem großen Krieg entstanden sind. Eine Szene, die geradezu nach einer „The Special“-Ausgabe schrie, und so habe ich ein paar Knöpfe gedrückt, um einen unserer Reporter exklusiv für euch diese Tour der neuen Moderne hautnah erleben zu lassen. Genau, DIESE!, denn jede einzelne Führung ist anders. Es gibt kein Schema F – jedes Mal Skyskrape neu entdecken, lautet die Devise.
Mit großen Schritten hetzte Remo durch den Korridor, der ihn in die große Bahnhofshalle führte. Vorbei an kleinen Läden, in denen man kurz vor der Abreise noch Mitbringsel für die Zuhausegebliebenen kaufen konnte. Vorbei an Restaurants, Duty-free-Shops und Kliniken, die sich auf kleinere genetische oder kybernetische Optimierungen spezialisiert hatten. Dem Cybernet sei Dank, fühlten die Menschen vor ihm sein Drängen und machten Platz, damit er schneller vorankam.
Eigentlich war er gerade damit beschäftigt gewesen, einen Beitrag über die neuesten Solarmodule zusammenzuschneiden, aber der Moderator der Morning-Show war wohl wieder über irgendeine Sensation gestolpert, von der unbedingt berichtet werden musste. Remo mochte diese Einsätze, sie waren eine willkommene Abwechslung zu seinem gleichförmigen Alltag. Nicht, dass er sich beklagen wollte, aber durch die harmonisierenden Auswirkungen des Cybernet produzierte er fast ausschließlich weichgespülten Mainstream. Unter welcher Kategorie das heute laufen würde, dessen war er sich noch nicht ganz sicher, da die Informationen, die er zu diesem Spontaneinsatz erhalten hatte, ebenso spärlich wie sonderbar waren. Vorsorglich ließ er seine Job-Optimierung laufen, die unscheinbar als kybernetisches Auge implantiert war und neben Video- und Audioaufzeichnungen auch seine emotionalen Spitzen festhielt.
Kurz vor der angegebenen Zeit trat Remo aus dem Gang, der ihn von der City hierhergebracht hatte, in die zentrale Halle des Hauptbahnhofs, und wie jedes Mal beeindrucke ihn das Spiel der Architektur aufs Neue. Es wirkte, als wäre die Natur eine Symbiose mit dem Gebäude eingegangen. Riesige Bäume säumten den großen Platz, in den oberen Etagen überspannten elegant geschwungene Brücken, die mehr an Äste erinnerten, die breiten Gänge, und unterschiedlichste Pflanzen wuchsen in Nischen oder rankten sich an Teilen der Trägerkonstruktion in die Höhe. Darunter hinweg lief ein menschlicher Strom an Touristen und Geschäftsreisenden. Manche eher dezent hochwertig optimiert, andere wiederum stellten ihre genetischen oder kybernetischen Verbesserungen sehr extrovertiert zur Schau. Wie sollte er in diesem vielfältigen Gewusel, das die Bullet-Trains kontinuierlich ausspuckten, rechtzeitig seinen Kontaktmann finden, bevor der mit der Tour startete?
Der große Schirm in leuchtenden Regenbogenfarben, der im Zentrum des Platzes aus der Menschenmasse herausragte, war dann doch nicht zu übersehen. Im Inneren von Skyscrape und noch dazu in einem geschlossenen Gebäude stach das Ding mehr ins Auge als jedes elektronische Signal. So stand Remo nun zusammen mit fünf weiteren Mitstreitern, deren Neugier ihn durch die Cybernet-Übertragung innerlich vibrieren ließ, vor einem Mann, der eindeutig ein Faible für kybernetische Optimierungen pflegte. Auf den ersten Blick gab es nichts an dessen Körper, was nicht auf irgendeine Weise technisch optimiert worden war, und sei es nur der Optik wegen. Der altertümliche Regenschirm, den dieser nach wie vor in die Luft streckte, bildete dagegen einen kuriosen Kontrast.
»Es wird pünktlich gestartet, auf Nachzügler warte ich nicht«, durchbrach der Typ endlich die kollektive Anspannung, klemmte sich den Schirm unter den rechten Arm und tippte anschließend auf ein kleines Eingabedisplay, welches in die Innenseite seines Linken Unterarms integriert war. Acht Namen wurden daraufhin sichtbar, zwei davon schnippte er mit einem kurzen Wisch zur Seite. Anscheinend wusste er genau, wen er vor sich hatte. Nach einem intensiven Blick in die Runde griff er in die linke Gesäßtasche seiner weiten, schwarz schimmernden Hose und befördert einen Stapel Spielkarten zutage, den er zu mischen begann, während er erneut zum Sprechen ansetzte.
»Ihr wollt also das Wahrzeichen, das die gesamte Welt verändert hat, auf meine Art entdecken.«
Kollektives Nicken wurde dem Mann entgegengebracht, als hätte es allen die Sprache verschlagen. Remo wusste nicht so recht, was er von dem Kerl halten sollte. Optimiert bis unter die Haarspitzen, aber mit Dingen ausgestattet, die aus dem letzten Jahrtausend stammen mussten. Und im Gegensatz zu der überschwänglichen Freundlichkeit, die Dienstleister normalerweise an den Tag legten, um ihre Kunden zu umgarnen, wirkte sein Gegenüber geradezu kalt. Auch auf Ebene des Cybernets herrschte nur das diffuse Rauschen der Menschenmenge um ihn herum.
»Schön, dann sollte ich mich wohl noch vorstellen. Nennt mich Amon – und wie ihr bereits bemerkt haben solltet, zählt Geduld nicht zu meinen Stärken. Deswegen werden wir jetzt zusehen, dass wir hier verschwinden.«
Mit diesen Worten fächerte Amon den durchmischten Stapel Karten auf und hielt ihn Remo mit einem Augenzwinkern und der Aufforderung, eine daraus zu ziehen, entgegen. Beherzt zog er eine Karte aus der Mitte – die Oberseite wirkte wie bei einem normalen Kartendeck, doch als er sie umdrehte stand da:
«Die Ruhe nach dem Sturm.»
Remo reichte die Karte an die anderen weiter, damit auch sie lesen konnten, was darauf stand.
»Was bedeutet das?« Fragend schaute er Amon an. Der verfolgte interessiert die Reaktionen seiner Gruppe, bevor er sich Remo wieder zuwandte.
»Euer erstes Ziel dieser Tour. Ihr wolltet doch etwas Besonderes erleben. Einem Holo stupide zu folgen, kann jeder. Bei mir könnt ihr euch wirklich mit der Stadt befassen – ihr werdet euren Grips einschalten und auf eigene Faust dorthin gelangen müssen. Ich werde dort auf euch warten.«
Remo spürte Wut neben sich aufflackern. Der Frau, die mit ihrer ganzen Erscheinung Upper-Class ausstrahlte, schien Amons Konzept nicht wirklich zu gefallen, was sie diesem auch sogleich an den Kopf warf.
»Ich habe eine Dienstleistung gebucht! Das hier ist lächerlich, und ich werde meine kostbare Zeit nicht opfern, um Rätsel zu lösen.« Mit einem Schnauben drehte sie sich um und stöckelte in die Menge davon. Amon entlockte dieser Abgang nur ein müdes Schulterzucken und wie zuvor verschwand ein weiterer Name von seinem Display.
»Sonst noch jemand, der keine Lust hat? Jetzt besteht noch die Möglichkeit, ohne Kosten auszusteigen.« Die Welle an Vorfreude erübrigte eine verbale Antwort seitens der Teilnehmer und so fuhr Amon fort.
»Gut. Ihr habt eine Stunde, um den Ort zu finden. Mit ein wenig Recherche und dem Gebrauch eurer Gehirnzellen dürfte das nicht allzu schwer sein. Ich werde euch dort in Empfang nehmen. Und denkt daran, ich werde auf keinen Nachzügler warten!«
»Wow! Wie spannend.« Skyscrape kannte er zwar aufgrund seines Jobs fast in- und auswendig, den richtigen Zielpunkt anhand eines kleinen Rätsels zu finden, verlieh der Sache aber einen gewissen Nervenkitzel, dem er sich unbedingt stellen wollte. Und er war neugierig, wie sich seine Mitstreiter schlagen würden. Die emotionalen Muster, welche ihn trafen, während er die verbliebenen vier musterte, zeigten keine Andeutung von Unsicherheit. Als er sich Amon wieder zuwandte, war dieser verschwunden – der Startschuss war also gefallen.
Nach ein paar Gedankenspielen stellte das erste Rätsel für Remo tatsächlich keine große Herausforderung dar. In der Stadt gab es keine Unwetter und so musste es sich um ein anderes Ereignis handeln. Emotionen in der reinsten Form und somit extrem intensiv konnten einen regelrecht von den Füßen reißen, und wer beherrschte diese Kunst besser als Janica? Hinter der Konzerthalle, in der ihre Auftritte präsentiert wurden, befand sich ein wundervoll angelegter Park, den er schon einmal für ein Interview mit der Sängerin aufgesucht hatte. Der musste für die Ruhe in dem Wortspiel stehen. Remo war sich zu einhundert Prozent sicher, dass dieser Park das Ziel war. Er konnte sich auf seinem Weg also Zeit lassen und würde immer noch überpünktlich dort ankommen.
Vollkommen entspannt schlenderte er über den Hauptboulevard der Etage, auf der sich auch die Halle und somit der Garten befand. Hier pulsierte das Leben. Die Fluggleiter der Besserverdienenden schossen knapp über spiegelnde Dächer hinweg. Moderne, mit geometrisch-floralen Ornamenten versehene Fassaden und großflächige Werbehologramme wechselten sich zu beiden Seiten der Promenade ab. Dazwischen hatte die Stadtplanung geschickt grüne Rückzugsräume und kleine Cafés geschaffen, die zum Verweilen einluden. An Optimierungen war hier alles anzutreffen. Remo sah neben naturnahen Prothesen auch Extravagantes, wie ein paar zarte, mechanische Flügel auf dem Rücken einer Frau oder einen Mann, der in seinen Beinen ein zusätzliches Gelenk besaß – die Normalität hier in der Stadt. Was sein Interesse allerdings weckte, war ein Bericht, der gerade auf einem der Newsticker lief, der in einer Glasfassade integriert worden war.
Verstohlen blickte Remo auf seine Uhr. Die Zeit war um, neben ihm standen aber nur vier der gestarteten fünf Kandidaten. Einer war entweder noch unterwegs, oder hatte schon aufgegeben. Amon schien das egal zu sein, was Remo immer sonderbarer vorkam. Warum zeigte jemand, der mit einer Führung sein Geld verdiente, absolut kein Interesse daran, alle zufrieden ans Ziel zu bekommen? Damit sein Misstrauen nicht via Cybernet zu Amon schwappte, dachte Remo gespannt an das nächste Rätsel und prompt erhob sich Amon von seiner Sitzgelegenheit und holte den Stapel Karten von seinem Platz in der Hosentasche hervor. Wie schon in der Bahnhofshalle fächerte er den Stapel auf und hielt ihn Remo mit einem angedeuteten Lächeln entgegen. Anscheinend hatte er ihn auserkoren, für die heutigen Ziele verantwortlich zu sein. Remo las
«Ein Schrei in der Stille»
und reichte die Karte anschließend weiter.
Amon hatte sich indes wieder auf seiner Bank niedergelassen. Er schien abzuwarten, welche Reaktionen diese Information hervorrufen würde, und tatsächlich vernahm Remo neben sich ein kurzes Aufflackern von Resignation. Da schien wohl jemand mit dem Gedanken zu spielen, das Handtuch zu werfen. Auch wenn diese Aufgabe um einiges schwieriger zu lösen war, aufgeben würde Remo auf keinen Fall.
»Wie lange haben wir dieses Mal, bis wir auf der Strecke bleiben?«, brachte er es deswegen direkt auf den Punkt. Amon schien diese Direktheit zu gefallen, denn zum ersten Mal spürte Remo vage eine positive Emotion von seinem Gegenüber.
»Ich denke, zwei Stunden sind angemessen. Wir wollen ja nicht, dass der Schwund in der Gruppe noch größer wird.« Amon grinste ihn jetzt regelrecht an und mit einem
»Also – hopp, hopp. Wir sehen uns«, scheuchte er sie alle davon.
Remo war zwischenzeitlich fast am Verzweifeln gewesen. Er selbst konnte sich keinen Reim auf die Worte machen und im Netz waren ohne konkrete Suchanfrage auch keine aussagekräftigen Antworten zu finden. So trottete er planlos durch eine der vielen Stadtebenen, und hatte letztendlich mehr Glück als Verstand. Sein Hunger trieb ihn zu einem kleinen Imbiss und während er auf seine Bestellung wartete, drangen ein paar Satzfragmente des Gesprächs, in welches das Pärchen am benachbarten Stehtisch vertieft war, zu ihm herüber.
»Melody … abgeschottet … Insel im Cybernet … «
Das musste es sein. Mit der Stille musste die Abkopplung vom Cybernet gemeint sein, denn selbst die beste Emotionsdämmung von Wohnungen konnte das emotionale Hintergrundrauschen nie ganz ausblenden. Hastig holte er sein Pad aus der Jackentasche und tippte «Melody» in die Suchleiste. Als Top-Treffer wurde unverzüglich das «Liquid Melody» auf Stadtebene 837 ausgespuckt. Remo ließ seine Bestellung unangetastet zurück und hastete zu einem der Express-Aufzüge. Viel Zeit hatte er nicht mehr, um den Empathie-Pavillon zu erreichen.
Außer Atem stoppte er einige Meter vor dem doppeltürigen Portal. Das schlichte Symbol einer Kugel, über der ein Halbkreis stand, thronte erhaben darauf und machte sofort deutlich, worum es sich bei diesem Ort handelte – hier war das Cybernet nicht nur gedämmt, sondern völlig abgeschirmt. Remo spürte dieses Fehlen von Emotionen sofort. Es kostete ihn regelrecht Überwindung, die Aura dieses scheinbar toten Ortes zu betreten, und damit war er nicht allein. Alle Passanten machten einen großen Bogen um das Gebäude, nur vereinzelt betrat jemand zielstrebig das Gebäude. Remo gab sich einen Ruck, schritt durch das Tor und stand in einem Foyer, das die plötzliche innere Einsamkeit geschickt zu kompensieren vermochte. Hier konnte man sich wohlfühlen und entspannen, ganz ohne die beruhigenden Eingriffe des Cybernets. Er hatte zwar keine Ahnung, für welches Klientel dieser Empathie-Pavillon geschaffen worden war, aber in die Atmosphäre, die hier vorherrschte, wollte er mit allen Sinnen eintauchen.
Mit Staunen bewegte er sich durch das Foyer. Das Interieur war farblich sogar bis in die letzte Faser des Teppichs abgestimmt. In der Luft lag ein Duft, den Remo nicht genau identifizieren konnte, der aber, gepaart mit dem Plätschern des kleinen Wasserfalls im hinteren Bereich, eine tiefe Entspannung verbreitete.
»Sie werden bereits erwartet, bitte folgen sie mir«, riss ihn eine Stimme aus seiner Faszination und vor ihm manifestierte sich ein Holo. Dieses drehte sich abrupt um und strebte eine kleine Sitzgruppe an. Sich suchend umblickend folgte ihm Remo, doch von Amon war weit und breit nichts zu sehen.
»Bitte nehmen sie Platz«, wies das Holo ihn freundlich an und verschwand ebenso unverzüglich, wie es aufgetaucht war. Er ließ sich in den weich gepolsterten Sessel fallen. Nachdem er durch halb Skyscrape gehetzt war, um das «Liquid Melody» zu erreichen, tat es gut, die Füße auszustrecken und lediglich die Umgebung zu beobachten. Amon konnte sich seinetwegen ruhig noch ein wenig Zeit lassen.
Fünf Minuten, mehr waren Remo nicht gegönnt, bis Amon, in ein reges Gespräch mit einer hochgewachsenen Frau vertieft, aus dem Aufzug trat. ›Der findet echt überall jemanden zum Quatschen‹, dachte Remo noch belustigt, als sich die beiden allem Anschein nach verabschiedeten und Amon auf ihn zukam.
»Du hast dir ganz schön Zeit gelassen. Ich dachte schon, bei meiner heutigen Tour würde hier Endstation sein«, begrüßte Amon ihn wieder auf seine herzliche Art und Weise.
»Es war auch nicht leicht, das Liquid Melody zu finden.« Dass er es purem Glück zu verdanken hatte, jetzt hier zu sitzen, musste er Amon ja nicht zusätzlich auf die Nase binden.
»Ist von den anderen keiner hier, da du von Endstation gesprochen hast?«
»Siehst du außer dir hier sonst noch jemanden sitzen?« Remo schüttelte den Kopf und Amon grinste ihn breit an. Irgendwie mochte er den Mann trotz seines ruppigen Auftretens.
»Trotzdem noch Lust auf eine letzte Station?«, als ob Amon die Antwort bereits kennen würde, hielt er den Kartenfächer schon in der Hand, und Remo zog.
«Schweres Gerät & Parolen»
»Du machst mich fertig«, stieß er mit einem kleinen Seufzen aus und ließ sich zurück in den Sessel fallen. »Schweres Gerät – das kann nur in den untersten Ebenen der Stadt sein. Aber für was stehen die Parolen?« Remo rieb sich mit den Händen übers Gesicht. »Hast du für den letzten Überlebenden nicht einen kleinen Tipp übrig?«
Amon lachte schallend auf. Er war bereits Richtung Ausgang unterwegs gewesen, drehte sich jedoch noch einmal um. Mit einem Zwinkern beantwortete er Remos hilflosen Versuch, an ein paar Informationen zu kommen.
»Ich mache mir keine Sorgen, dass wir uns heute nicht noch einmal sehen. Dafür bekommst du auch das Privileg, dass ich warten werde.« Und weg war er.
Die Fahrt bis zur zweiten Ebene hinunter hatte eine gefühlte Ewigkeit gedauert. Für die Personenaufzüge war auf Ebene zehn Endstation, weiter ging es dann nur mit Lastenaufzügen. Remo stand etwas verloren auf einer der schmalen Brückenstraßen, die sich zwischen den bis zur Decke reichenden, fensterlosen Fabrikgebäuden spannten. Mit seiner sauberen Alltagskleidung fiel er zwischen den wenigen Menschen, die ausschließlich in Arbeitsklamotten unterwegs waren, auf wie ein bunter Hund und wurde kritisch beäugt. Ob er einfach nach den Parolen fragen sollte? Er entschied sich dagegen und versuchte sein Glück stattdessen auf Bodenniveau.
Von unten betrachtet wirkten die Gebäude mit ihren riesigen Toren wie Flugzeughangars, die lediglich durch ihren angebrachten Nummerncode zu unterscheiden waren. Bei einem davon konnte er einen Blick in das Innere erhaschen und sah Arbeiter an schweren Exoskeletten arbeiten. Diese tonnenschweren Verstärkungen wurden im Bergbau und in der Industriearchitektur eingesetzt.
Remo hatte gefühlt schon die komplette Ebene abgeklappert, als ihm ein kleiner Seiteneingang ins Auge fiel, der für die menschenleeren Verhältnisse hier unten relativ stark frequentiert war. Ein letzter Hoffnungsschimmer. Wenn das wieder eine Sackgasse war, wollt er das Ganze abbrechen. Er hatte einfach keinen Bock mehr, seine Füße brachten ihn um und sein Magen rebellierte laut, da ihm nicht einmal der Imbiss gegönnt worden war. Zaghaft öffnete er die Tür, die von oben bis unten mit verschiedenen Farben zugekritzelt war. Ob es sich hierbei um Parolen handelte, konnte er beim besten Willen nicht sagen, lesbar war nämlich nichts davon. Aus dem Inneren schallten ihm harte Beats und deutliches Stimmengewirr entgegen. Er hatte wohl so etwas wie eine Kneipe gefunden, in der die Arbeiter ihren Feierabend begossen. Zusammengewürfelte Sitzgelegenheiten säumten den stickigen Raum und in der Mitte thronte eine Bar, die mehr einem Provisorium glich. Der Stimmung, die sich durch das Cybernet auch auf ihn übertrug, tat das keinen Abbruch – bis er von einigen der Anwesenden entdeckt wurde. Schlagartig kippten die Emotionen und Remo wurde auch schnell bewusst, warum, denn da hatte er seine Parolen. An den Wänden um ihn herum prangten Sprüche wie «Eiserne Fäuste in fleischige Ärsche» und «Schleimiger Matsch unterliegt hartem Stahl», und er stand mit seinen nicht erwähnenswerten kybernetischen Modifikationen inmitten einer Schar bis an die Ohren optimierter fanatischer Synthies. Wenn es das Cybernet nicht gegeben hätte, wäre seine Angst auch so nicht zu übersehen gewesen. Er wollte schon auf dem Absatz kehrtmachen, doch Amon kam dem zuvor.
»Mann, Remo … jetzt pinkel dir nicht ins Hemd. Die sind doch alle ganz harmlos.« Einen Arm um Remos Schultern legend zog er ihn zur Bar und orderte zwei Bier, die prompt auf der Theke standen. »Du bist einer der Wenigen, die es bis hierher geschafft haben, das sollte begossen werden.«
Recht wohl war ihm dabei immer noch nicht, doch anscheinend hatte das Wort seines Guides bei den Männern Gewicht und die Emotionen, die ihm entgegengebracht wurden, waren nicht mehr ausschließlich negativ.
»Du hast mich ins offene Messer laufen lassen!«, stellte Remo nach dem ersten kühlen Schluck fest.
»Ich war neugierig, ob du dieses Loch tatsächlich findest. Du hast Ausdauer und das mag ich. Die meisten gehen den bequemen Weg und steigen aus, wenn es schwierig wird.« Amon setzte sich die Flasche an die Lippen, hielt aber dann kurz inne. »Und schalt jetzt endlich die Aufzeichnung ab, ich habe Feierabend. Da reichen mir schon meine emotionalen Logs im Cybernets, das Ganze brauche ich nicht noch zusätzlich in Bild und Ton.«
Woher wusste Amon, dass sein Implantat immer noch aufzeichnete? Er selbst hatte es irgendwann im Laufe des Tages vergessen und so tippe er sich kurz an die Schläfe, um die Aufnahme zu stoppen. Dieser Mann gab ihm Rätsel auf. Das Desinteresse am Erfolg der Führung passte überhaupt nicht dazu, dass er seinen Lebensunterhalt damit bestreiten musste. Die Gespräche mit den Fremden, die Amon geführt und er zufällig beobachtet hatte, schienen für diesen indes eine viel stärkere Gewichtung zu haben. War ihr Weg durch Skyscrape gar nicht so zufällig gewesen, wie es den Anschein haben sollte? Waren die Karten eventuell sogar manipuliert? Obendrauf war Amon eindeutig zu gut über ihn informiert.
»Ich würde jetzt zu gern in deinen Kopf gucken«, riss Amon ihn aus seinen Überlegungen, er musste die aufkeimende Skepsis gefühlt haben.
Remo wäre kein Journalist, wenn er seine Fragen hinunterschlucken würde, auch wenn ihm die Antworten vielleicht nicht gefallen könnten.
»Du bist nicht der oder das, was du vorgibst zu sein«, platzte er deswegen unverblümt heraus und hoffte, nicht postwendend vor die Tür gesetzt zu werden. Amons Blick wurde stechend.
»Ich habe dich wohl unterschätzt. Die Chancen, dass du es bis hier unten schaffst, und ich mich jetzt der Neugier eines Reporters stellen muss, waren verschwindend gering.« Die emotionale rote Spitze, die Remo getroffen hatte, flaute ab und wandelte sich in unterschwellige Anerkennung.
»Aber deine Hartnäckigkeit gefällt mir. Sagen wir, ich bin in der Nachrichtenübermittlung tätig. Wenn du wirklich mehr darüber erfahren willst, lies den Emotiondancer. Recherche kannst du ja.« Mit diesen Worten leerte Amon die Flasche in einem Zug und verabschiedete sich mit einem kurzen Nicken, bevor er durch die Tür verschwand.
Skyscrape neu zu entdecken fand ich wirklich spannend, aber schade, dass Remo Amon nicht mehr zu seinem Hintergrund entlocken konnte. Vielleicht bringt Morgen Teja von Gwynny’s Lesezauber mehr Licht ins Dunkel.
Zur eigenen Recherche habt ihr jetzt die Möglichkeit euch für ein druckfrisches Exemplar von „Emotiondancer“ zu bewerben.
Was ihr dafür tun müsst:
Beantwortet einfach täglich die Gewinnspielfrage unter den jeweiligen Beiträgen und schon seid ihr im Lostopf.
Ihr könnt euch jeden Tag ein Los sichern!
Wer nicht hier drunter kommentieren kann, der darf auch gerne eine Mail an den Autoren senden.Mail: efv.hainwald@fantasymail.de
Betreff: Blogtour ,,Emotiondancer”
Die heutige Aufgabe:
Ich möchte nach den Ganzen Infos, wie Skyscrape innen aussieht, von euch erfahren, wie ihr euch die Stadt von der Ferne aus betrachtet vorstellt.
Beschreibt mir in 2-3 kurzen Sätzen, welches Bild ihr im Kopf habt.
Hier noch das Kleingedruckte:
* Teilnahme am Gewinnspiel ist ab 18 Jahren, oder mit Erlaubnis der Eltern gestattet
* Die Bewerber erklären sich im Gewinnfall dazu bereit, öffentlich genannt zu werden
* Ein Anspruch auf Barauszahlung des Gewinns besteht nicht
* Keine Haftung für den Postversand
* Versand der Gewinne erfolgt innerhalb Deutschland – Österreich – Schweiz
* Der Rechtsweg ist ausgeschlossen
* Bitte darauf achten, eine Mailadresse zu hinterlassen, oder sich im Gewinnfall innerhalb einer Woche zu melden, da sonst der Gewinn verfällt!
* Das Gewinnspiel läuft vom 24.10.2020 – 01.10.2020 um 23:59 Uhr
* Jeder Teilnehmer, der auf allen Blogs der Blogtour kommentiert (Frage beantwortet), bekommt für jeden Tag und jeden Blog jeweils 1 Los (bis zu 7 Lose, die Gewinnchance erhöht sich automatisch)
* Die Gewinnerbekanntgabe erfolgt am 01.11.2020 via Mail und/oder den sozialen Medien des Autoren.
Für die Späteinsteiger gibs natürlich noch einen kompletten Tourfahrplan …
24.10.2020
BREAKING NEWS – Bianca von Bibilotta
25.10.2020
DIE NEUE MODERNE – hier bei mir
26.10.2020
DIGITALE EMPATHIE – Teja von Gwynny’s Lesezauber
27.10.2020
VERGISS NICHT – Susanne von Magische Momente für mich
28.10.2020
EVOLUTIONSSPRUNG – Floh von Pummelchens Lesezimmer
29.10.2020
SICHERHEITSBERICHT – Susanne von Bücher aus dem Feenbrunnen
30.10.2020
INTERVIEW – Charleen von Charleens Traumbibliothek
31.10.2020
Letzte Chance um in den Lostopf zu hüpfen
01.11.2020
AUSLOSUNG auf den Social-Media-Kanälen von E.F. v. Hainwald
Hi wie stellt man sich Skyscrape vor…… Irgendwie hatte ich sofort eine Abwandlung der Stadt aus der Serie “Under the Dome” vor meinen geistigen Auge nur größer, grüner, moderner, bunter und schillernder. Ein Mikrokosmos für sich, unsichtbar für die Anderen..Geschützt unter ihrem Dome und trotzdem eine fortgeschrittene, moderne, kultivierte Gesellschaft…
Liebe Grüße
Hi Sarah,
ich finde es echt interessant, wie die Stadt in euren Köpfen aussieht. Wenn du wissen willst, in wie weit sich deine Vorstellung mit dem deckt, wie E.F. v. Hainwald sie sieht, musst du aber einen Blick in den “Emotiondancer” werfen. 😉
Liebe Grüße Yvonne
Hallo und guten Tag, lieber Bloggerin Yvonne,
was für ein Beitrag zur Blogtour…Danke erst einmal dafür.
Bin schon etwas platt von den ganzen Infomationsflut …..aber egal …..
Hm, ich denke mal, bei solchen Gesellschaftsformen gibt es immer eine Abschirmung nach Außen hin und deshalb halte ich auch eine Kuppel über der Stadt durchaus für möglich , ebenso wie eine Wetterstation, die automatisch hell/dunkel Sonnenschein/Regen regelt also bewusst gesteuert wird.
Und vielleicht dadurch von Außen auch abschreckend wirkt ……wenn es möglicherweise tagelang nur dunkel ist in der Kuppel. Aber sonst der normale Zyklus des Wetter abläuft außerhalb der Kuppel.
So wie im Film “Bad Runner”, da war es doch immer nur dunkel und es hat geregnet ….keine schönen Aussichten oder augenrollen….
Also Glas-Kuppel und sonst vielleicht noch die Sache mit hell und dunkel, denn wer möchte als Bewohner sich und sein Umfeld so sichtbar/öffentlich machen…
LG…Karin…
Hi Karin, danke für deine Ideen.
Auch ein interessanter Ansatz mit der Regulierung der Helligkeit. 🙂
Liebe Grüße Yvonne
Hui, welch spannende Tour durch Skyscrape nur irgendwie scheint es mir, dass noch viel zu viele Informationen zurück gehalten werden wird Zeit, dass das Buch bald erscheint
Wie ich mir Skyscrape aus der Ferne vorstelle?
Hmmm, ein bisschen wie der Burj Kahlifa, nur viiiiel größer und breiter. Und drumrum ist eine hauchdünne, aber sehr feste, durchsichtige Kugel… Also von der Ferne sieht es für mich nicht ganz so spannend aus, nur verdammt hoch… So hoch, dass man es mit bloßem Auge nicht erkennen kann, wie hoch es ist… Und diese vielen Ebenen, mit ihren Parks und Wohnungen sind natürlich von außen nicht so ersichtlich … Sprich, diese Skyscrape wird durch eine unscheinbare Hülle verhüllt.
Lg
Simone
Spannender Ansatz Simone 🙂
Ich gehe mal davon aus, dass du “Emotiondancer” sicherlich selbst lesen wirst, dann erfährst du wie weit sich deine Vorstellung von Skyscrape mit dem im Buch deckt. 😉
Vielen Dank für deinen Kommentar.
Liebe Grüße Yvonne