Verlag: Cursed Verlag
ISBN: 978-3958231061
Softcover: 576 Seiten
Release: Dezember 2017
Genre: Dystopie
Teil einer Reihe: –
© Klapptext, Zitat- und Coverrechte: Cursed Verlag
Beschreibung:
1500 Jahre in der Zukunft: Die Erde hat sich verändert. Weite Teile sind unbewohnbar geworden, die Staatenverbände sind zusammengebrochen, die Bevölkerung ist durch Seuchen und Katastrophen dezimiert worden. Die Überlebenden haben sich zu neuen Gesellschaften zusammengeschlossen, und Demokratie und Humanismus sind längst verblasste Visionen.
In dieser Zeit wird Aiden, ein Arbeiter auf den Schiffen der Festungsstadt, an den Herrschersohn Ragnar verschenkt. Gefangen zwischen Fasziniation für das luxuriöse Leben und Entsetzen über die Manipulationen, die man an seinem Körper vornimmt, verweigert er sich seinem Herrn. Aber Ragnar ist kein Mann, der leicht aufgibt. Wichtiger als das: Er kann es sich nicht leisten, Aidens Sympathie zu verspielen. Dafür steht er zu nah am Abgrund.
Denn während die beiden um Zuneigung, Respekt, Sex und Freundschaft ringen und Ragnar versucht, sich seinem herrischen Vater Takir zu beweisen, findet hinter den Mauern der Festung ein anderer Kampf statt.
Mein Eindruck:
„3517 Anno Domini: Wir waren Götter“ wurde 2014 im Incubus Verlag erstveröffentlicht. Ende 2017 ist die Erzählung um Aiden und Ragnar mit einem neuen Cover zum Cursed Verlag übergesiedelt. Nachdem ich nur Positives darüber gehört habe, zog die Geschichte bei mir ein, dümpelte nun aber trotzdem einige Zeit auf meinem Stapel ungelesener Bücher vor sich hin, obwohl es als Dystopie eigentlich genau in mein Beuteschema passt. Bei Autoren, von denen ich bis dato noch kein Buch gelesen habe, passiert mir so etwas öfter. Ich kann nicht genau abschätzen, auf was ich mich einlasse und so braucht es zuweilen ein wenig, bis ich mir einen Ruck gebe.
Der erste Satz:
– Ich bin deiner Ausreden überdrüssig, James. –
Eben jener James ist Aidens Vater. Ein Arbeiter aus der Unterstadt und schonungslos betrachtet, ein Leibeigener der Merowinger, wie alle anderen, die unter der Herrschaft Takirs stehen. Wer sein Soll nicht erfüllt, zahlt. Entweder mit seiner Gesundheit, seinem Leben oder, wie bei Aiden, mit einem seiner Kinder. Die Unterstadt lässt ihre Bewohner nicht alt werden und so möchte man annehmen, dass Aiden das große Los gezogen hat. Ragnar ist zumindest der Meinung, dass sein erster eigener Diener, den er von seinem Vater geschenkt bekommen hat, dankbar sein sollte, dem allgegenwärtigen Tod entkommen zu sein. Aus Aidens Blickwinkel stellt sich die Sache hingegen ganz anders dar. Gefangen im Goldenen Käfig ist alles was ihm geblieben ist sein Stolz und den will er sich auf keinen Fall nehmen lassen.
– Herzlichen Dank, er hatte nicht vergessen, warum er hier war und welche Dienste von ihm erwartet wurden. Und er hatte sicher nicht aus den Augen verloren, dass er ein Nichts war und Ragnar ein zukünftiger Halbgott. … Er hatte sein Recht auf Selbstbestimmung verloren, sofern er es je besessen hatte. Doch er war keine Maschine. Er war ein Mann, und er ließ sich nicht gern beleidigen oder auf seinen Körper reduzieren. – (Pos. 722)
Aiden und Ragnar sind geprägt durch die Umstände, in denen sie aufgewachsen sind und so treffen mit ihnen zwei völlig konträre Welten aufeinander. Aiden, der ein Leben voller Entbehrungen geführt hat, der von klein auf lernen musste, dass man für alles kämpfen muss, und bei dem das Einzige, was er niemals aufgeben würde, sein Stolz ist. Ragnars Leben ist dagegen so sicher wie eintönig. Abgeschottet und nur umgeben von der Dienerschaft der Herrscherfamilie hat er nie gelernt mit anderen Menschen auf Augenhöhe zu interagieren. Die tyrannischen Züge seines Vaters fehlen Ragnar zum Glück. Er besitzt in dessen Augen keine Durchsetzungskraft, nicht den Willen bis zum Äußersten zu gehen, was ihn in Takirs Augen unfähig macht, den Thron irgendwann einmal zu besteigen.
Raik Thorstadt hat die Beiden sehr vielschichtig gezeichnet und ich fand es toll zu lesen, wie das anfängliche Bild, das Aiden und Ragnar voneinander haben, Risse bekommt. Die langsam reifende Erkenntnis, dass sie im Grunde nicht so verschieden sind, wie jeweils angenommen, das gegenseitige Erkennen und Verstehen, warum der andere so ist, wie er ist, machen für mich zum großen Teil den Reiz der Geschichte aus. Ich habe regelrecht drauf hin gefiebert, dass sich der Knoten in ihren Köpfen löst und sie dann auch dementsprechend handeln. Aber auch die unterschiedlichen Nebencharaktere mit ihren eigenen, manchmal verstecken, Absichten haben mir richtig gut gefallen.
Eingebettet hat die Autorin die Erzählung in ein für mich genial aufgebautes dystopisches Setting. Das Festland ist durch die Misswirtschaft der Menschen verseucht und somit unbewohnbar. Als einziger besiedlungsfähiger Raum sind riesige Festungsstädte mitten im Ozean übriggeblieben, regiert von despotischen Herrschern, denen das gemeine Volk, und oftmals auch die restliche Herrscherfamilie, ausgeliefert ist. Diese Unterdrückung nährt aber auch den Wunsch der Menschen auf Selbstbestimmung und so reicht nur ein Funke Hoffnung, um etwas Unerreichbares zu wagen.
„3517 Anno Domini: Wir waren Götter“ bringt für mich alles mit, was ich an dem Genre Dystopie liebe. Eine Welt, die den Menschen alles abverlangt, Aussichtslosigkeit gepaart mit Hoffnung und Figuren, die nach Veränderung streben. Die einzelnen Aspekte wurden von Raik Thorstad zu einer Geschichte verwoben, die mich vollkommen eingesaugt und nach der letzten Seite mit einem Nachhall wieder ausspuckt hat. Als i-Tüpfelchen bekam ich hier noch eine wundervolle Love-Story oben drauf. Für dieses allumfängliche Lesevergnügen vergebe ich eine absolute Leseempfehlung.